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27.4.17

Was ich will


Suchst du nach Macht?

Ich suche nach Macht. Nach Macht über mich selbst. Keine Sekunde länger will ich mir von Werbeplakaten sagen lassen, was ein Mensch braucht um attraktiv oder erfolgreich zu sein. Nie mehr will ich süchtig sein nach Alkohol, Zigaretten, Fernsehen, Facebook, Snapchat, Videospielen, Shoppen gehen und so weiter. 
Ich will einfach nur die Macht haben um das zu tun, was ich will und was mir gut tut. 
Ich will mich zurückhaben!


Suchst du nach Liebe? 

Ich suche nach Liebe. Nach Liebe zur Menschlichkeit. Zum Teufel mit der flüchtigen Bekanntschaft im Sommerlager, mit dem Flirt bei der Geburtstagsfeier und dem Partner am Abschlussball. Zum Teufel mit diesem sinnlosen Sich-Verlieben, dem wir eine künstliche Bedeutung zuschreiben um zu vergessen, dass alles nur ein dreckiger Reproduktionstrieb ist. Zum Teufel mit der hirnlosen Partnersuche auf Tinder und Parship und Lovoo und wie sie alle heißen. 
Ich will einfach nur stolz darauf sein, als Mensch geboren und Teil einer hoffnungsvollen Spezies zu sein. 
Ich will die Menschheit zurückhaben! 

Suchst du nach Freiheit?
 
Ich suche nach Freiheit. Nach der Freiheit unserer Welt. Keinen Blick will ich mehr werfen auf die unendliche gesichtslose Horde, die sich in devote Knechtschaft wirft um zu überleben. Nicht länger will ich mit ansehen müssen, wie sich ein Konglomerat aus zynischen Anzugfratzen durch ein paar Linien auf der Landkarte die Rohstoffe unserer Erde aufteilen. Mit den abscheulichsten Mordwaffen lassen sie ganze Völker vernichten nur um an diese zu gelangen. Wir haben eine gigantische Zivilisation aufgebaut und lassen nun alles um uns herum zerstören und ausschlachten. 
Ich will einfach den Planeten auf dem wir leben als solchen behalten; mit all seinen wundervollen Bewohnern und Landschaften. 
Ich will unsere Welt zurückhaben! 

Wenn ich in einem Moment der Besinnung über den Menschen als Ganzes philosophiere, dann träume ich von einem üppigen Paradies mit einer harmonischen Gesellschaft, die keine Nationalitäten und Ethnien kennt, sondern nur die Menschheit als einziges Ideal.
 
Ich will so viel. So viel erkennen. So viel entdecken. So viel erreichen. Aber… eigentlich will ich gar nichts. Eigentlich möchte ich nur fort. Ganz weit weg gehen bis alle Probleme um mich herum und in mir drin verstummen. Die Realität ist ein Widersinn, der meine Vorstellungen von Menschlichkeit in den Boden stampft. Vernunft und Moral sind tot. 

Nach solchen Überlegungen vergifte ich meinen Körper und Verstand wieder mit Drogen. Und damit verliere ich die Macht über mich selbst. Dann muss ich wieder an all die verdrängten wertlosen Ekstasen denken. Und damit vergesse ich die wahre Liebe zur Menschheit. Schließlich muss ich irgendwann wieder aufstehen und zur Arbeit gehen. Und damit ersticke ich den Freiheitskampf. 
Ich bin auch nur ein sündiger Mensch und muss mich dafür schämen.
 
Ich fühle mich verwandelt in eine nackte Schaufensterpuppe. Ohne Gesicht, fremd und ausgestoßen, eingesperrt hinter der Glasscheibe eines großen Modegeschäfts im Stadtzentrum. Unzählige Massen von Menschen schwärmen unberührt an mir vorbei, kaufen Sklavenarbeit. Ihre Züge der Vergnügung, der Freude und des Wohlmuts ekeln mich an. Ich beneide sie nicht um ihre banalen Gefühle und ihren blinden Lebensmut. 
Ich will mich einfach einpacken in mehrere Schichten Winterkollektion und mich in den Lagerraum stellen. Doch ich kann nur regungs- und hilflos zusehen, wie sich das Leben und Treiben unbehelligt vor meinen Augen abspielt. Allein in meiner Isolation, sichtbar entblößt und zugleich unbeachtet, bin ich Gefangener meines jämmerlichen Zustands. 

Und ich hoffe, ich bin nicht der einzige Mensch auf diesem gottverdammten Planeten, der so empfindet.


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